Eine erste Annäherung
Als Trauma (altgriechisch Wunde) bezeichnet man in der Medizin eine akute Verletzung, die durch Gewalteinwirkung von außen entsteht, wie etwa einen Knochenbruch. Im übertragenen Sinne werden in der Medizin und besonders der Psychologie auch psychische Verletzungen (durch Einwirkung von außen) als Trauma bezeichnet.
Werden bei einem Knochenbruch die richtigen Bedingungen geschaffen, wird also die Bruchstelle etwa durch einen Gips oder eine Schiene ruhig gestellt, dann kann der Knochen wieder heilen. Und er heilt von allein. Der Körper weiß genau, wie die Knochen wieder zusammen zu fügen sind. Die Medizin schafft nur die Voraussetzung für die Heilung.
Das ist ähnlich bei einem psychischen Trauma. Sind die richtigen Bedingungen für die Heilung gegeben, heilt ein Trauma von alleine. Auch hier hat unser Körper die Fähigkeit, Traumen zu heilen. Wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, reguliert sich der Körper von alleine. Nur wenn das nicht der Fall ist, kann es zu einer posttraumatischen Belastungsstörung PTBS bzw. einer Traumafolgestörung (das ist ein anderer Ausdruck dafür) kommen. Und das ist eigentlich gemeint, wenn man von Trauma spricht.
Wir haben also ein traumatisches Ereignis (oder mehrere), die unsere Psyche verletzen. Kann das Trauma nicht allein heilen, kommt es zu PTBS oder Traumafolgestörung.
Was ist ein traumatisches Ereignis? Und wie kommt es zu einer Traumafolgestörung bzw. PTBS?

Stellen Sie sich vor, Sie gehen nachts auf einer dunklen, verlassenen Straße. Plötzlich hören Sie Schritte hinter sich, die schnell näher kommen. Sie drehen sich um und sehen 2 Männer mit schwarzen Kapuzenpullis, die auf Sie zusteuern. Was passiert? Die Erregung im System schießt in Sekundenbruchteilen hoch, Sie sind in höchster Alarmbereitschaft. Der Körper aktiviert alles, um der Gefahr gerecht zu werden und zu überleben. Und dabei bedient er sich dreier biologischer Programme, die ohne Zutun des Verstands durch das autonome Nervensystem bestimmt werden. Eine Möglichkeit ist, die Beine in die Hand zu nehmen und zu fliehen . Schaffen wir es zu entkommen, dann ist alles gut, die Erregung klingt durch die körperliche Aktion wieder ab. Dafür wurde sie bereit gestellt. Insgesamt ist es eine Erfahrung, dass man es geschafft hat, die Situation zu handhaben. Ist Flucht keine Option, gibt es auch die Möglichkeit zu kämpfen . Schlagen wir die Angreifer erfolgreich nieder, wird die Erregung, die zu unserem Schutz mobilisiert wurde, ebenfalls wieder abgebaut. Wir gehen gestärkt als Sieger aus der Situation. Sind Flucht und Kampf nicht möglich, etwa weil die Angreifer weit überlegen sind, dann erstarren wir. Auch das dient unserem Schutz und Überleben. Wir werden taub und spüren weniger. Aber auch wenn die Angreifer weg sind und die Situation überstanden ist, steckt all die Energie, die mobilisiert wurde, noch im Körper. Sie konnte nicht durch Flucht oder Kampf entladen werden. Auch wenn Betroffene ruhig, fast lethargisch wirken können, sind sie innerlich weiterhin in höchster Erregung, in einem Gefühl von großer Gefahr. Prinzipiell kann unser Körper diese Erregung wieder abbauen, aber oft kommt es nicht dazu. Dann bleibt die hohe Erregung im Körper gebunden. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Körper, insbesondere in unserem Nervensystem, und so auch zu Veränderungen in unserer Psyche und unserem Verhalten: zu einer Traumafolgestörung oder PTBS (posttraumatische Belastungsstörung). In der Traumatherapie nach Somatic Experiencing wird der Körper behutsam eingeladen, die gebundene Energie schrittweise wieder zu entladen. Zwei Dinge sind hierbei wichtig: 1. Das autonome Nervensystem entscheidet automatisch (nach unserem Alter, unserer Verfassung und unseren Vorerfahrungen), welche Überlebensstrategie eingesetzt wird. Unser bewusster Verstand hat darauf keinen Einfluss. Es ist deswegen absurd, Vergewaltigungsopfern zu sagen, sie hätten sich wehren sollen. 2. Es handelt sich um eine körperlich normale Reaktion auf eine unnormale Situation. Das heißt unser Nervensystem reagiert einfach so, bei allen, es ist in unserer Biologie so angelegt. Es ist eine ganz normale Reaktion, die unser Überleben sichert. Nicht normal ist die Situation, der wir ausgesetzt waren, die dazu geführt hat. Beides ist wichtig, da traumatisierte Menschen sich oft schämen, sowohl für ihr Verhalten in einer Situation als auch für die Symptome, die nach einer traumatisierenden Situation auftreten können.

Ob ein Ereignis traumatisierend ist, ist nicht nur objektiv bestimmbar, wiewohl bestimmte Ereignisse wie Krieg und Naturkatastrophen das für die meisten Menschen sind. Es hat auch damit zu tun, wie ein Ereignis subjektiv wahrgenommen wird. Was heißt das? Ein traumatisierendes Ereignis, etwa ein Autounfall, ist überwältigend, es ist zu viel, zu schnell, zu …. Es liegt das Gefühl einer subjektiven Lebensbedrohung vor. Während einige Menschen bedrohliche Situationen gut wegstecken, ist das bei anderen nicht so. Für Kinder insbesondere können sich Situation schnell lebensbedrohlich anfühlen, selbst solche, die für Erwachsene harmlos sind. Wenn sie sehr klein sind und beispielsweise allein gelassen werden, wissen sie noch nicht, dass der Papa bald wieder kommt, und haben massive Angst. Mit einem traumatisierenden Ereignis sind wir überfordert. Es kommt zu einem Gefühl von großer Hilflosigkeit. Wir können nicht wirklich etwas machen, um uns zu schützen. Man steckt eingeklemmt im Auto fest. Das Kind kann nicht weglaufen. Das Gefühl von Ohnmacht ist eine essentielle Zutat bei traumatisierenden Ereignissen. Schwierige Situationen, die wir erfolgreich bewältigen können, führen in der Regel nicht zu einem Trauma. Wie kommt es zu einer Traumafolgestörung?